abusesaffiliationarrow-downarrow-leftarrow-rightarrow-upattack-typeburgerchevron-downchevron-leftchevron-rightchevron-upClock iconclosedeletedevelopment-povertydiscriminationdollardownloademailenvironmentexternal-linkfacebookfiltergenderglobegroupshealthC4067174-3DD9-4B9E-AD64-284FDAAE6338@1xinformation-outlineinformationinstagraminvestment-trade-globalisationissueslabourlanguagesShapeCombined Shapeline, chart, up, arrow, graphLinkedInlocationmap-pinminusnewsorganisationotheroverviewpluspreviewArtboard 185profilerefreshIconnewssearchsecurityPathStock downStock steadyStock uptagticktooltiptwitteruniversalityweb

Der Inhalt ist auch in den folgenden Sprachen verfügbar: English, español, français, 简体中文

Meinung

30 Mär 2021

Autor:
Chara De Lacey, Business & Human Rights Resource Centre

Wer prüft die Prüfer? Gestaltung von Rechenschaftsstrategien angesichts von Sozialaudit-Defiziten

Derzeitige Anstrengungen von Unternehmen im Bereich der Sorgfaltspflichten reichen nicht aus, um die weit verbreitete Ausbeutung von Arbeitskräften zu verhindern. Ein Grund dafür ist, dass sich Unternehmen zu sehr auf Sozialaudits[1] verlassen, um Arbeitsrechtsverstöße in ihren Lieferketten zu identifizieren, obwohl die Mängel des Sozialaudit-Modells gut dokumentiert sind. Zum Beispiel liefern Sozialaudits lediglich eine periodische Momentaufnahme einer Situation, verlassen sich auf eine oberflächliche Beteiligung von Arbeiter*innen (anstelle kontinuierlicher und aussagekräftiger Konsultationen mit Rechteinhaber*innen) und berücksichtigen nicht die grundlegenden Ursachen von Arbeitsrechtsverletzungen, wie etwa Einkaufspraktiken.

Letztlich bedeutet das Sozialaudit-Modell, dass Menschenrechtsverletzungen oft nicht erkannt oder gemeldet werden. Das ist katastrophal für die Arbeiter*innen, wie diese Auswahl an Beispielen zeigt:

  • Bei 26 Einzelaudits, die in den Einrichtungen des Unternehmens Hansae in Vietnam durchgeführt wurden, konnten weder Verstöße gegen die lokalen Gesetze noch Gefahren für Gesundheit und Sicherheit festgestellt werden, sodass die Arbeitsbedingungen nicht verbessert wurden;
  • Ein Sozialaudit-Unternehmen auditierte die Textilfabrik Ali Enterprises in Pakistan wenige Wochen vor einem tödlichen Fabrikbrand im Jahr 2012;
  • Ein Sozialaudit-Unternehmen bezeichnete die bauliche Qqualität des Rana-Plaza-Gebäudes nur wenige Monate vor dem Einsturz des Gebäudes im Jahr 2013 als „gut“; und
  • Bei keinem der 28 in Top-Glove Fabriken in Malaysia durchgeführten Audits wurden Anzeichen für Zwangsarbeit festgestellt, obwohl es Berichte über die Ausbeutung von Arbeiter*innen gab.

Die Aussicht auf eine gesetzliche Verankerung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht (auf internationaler, regionaler und nationaler Ebene) bedeutet, dass Staaten längst überfällige Maßnahmen ergreifen, um Unternehmen zur Einführung effektiver Sorgfaltsprozesse zu verpflichten, damit diese ihrer Pflicht zur Achtung der Menschenrechte nachkommen.

Dies ist auch eine perfekte Gelegenheit, um Strategien zu erörtern, mit denen Auditunternehmen haftbar gemacht werden können, die fehlerhafte Sozialaudits ermöglichen und davon profitieren.

Klagen gegen Sozialaudit-Unternehmen wegen ungenauer Prüfungen bilden einen neu aufkommenden Schwerpunkt bei Verfahren zur rechtlichen Unternehmensverantwortung. Im Jahr 2015 reichten Überlebende des Rana-Plaza-Gebäudeeinsturzes eine Zivilklage gegen das Auditunternehmen Bureau Veritas ein, weil es mutmaßlich keine angemessenen Audits durchgeführt und die strukturelle Integrität des Gebäudes nicht überprüft hatte. Im Jahr 2016 beantragten die Ali Enterprises Factory Fire Affectees Association in Karachi und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) eine strafrechtliche Untersuchung gegen die Auditfirma RINA, weil sie bei der Prüfung der Ali Enterprises-Fabrik keine Brandsicherheitsrisiken erkannt hatte.

Das Business & Human Rights Resource Centre hat umfangreiche Expertenkommentare zu Sozialaudits und Materialien zu Ansätzen, die über Audits hinausgehen, veröffentlicht. Wir bauen nun auf der Vorreiterrolle des ECCHR bei der Untersuchung von Auditorenhaftung auf und laden Jurist*innen und Rechtsanwält*innen ein, die Voraussetzungen für Auditorenhaftung in verschiedenen Rechtssystemen zu diskutieren und zu untersuchen.

Je nach Jurisdiktion haben Sozialaudit-Unternehmen möglicherweise bestehende gesetzliche Pflichten gegenüber Arbeiter*innen, deren Verletzung eine Haftungsgrundlage darstellen könnte. Zum Beispiel haben große französische Auditunternehmen nach dem französischen Sorgfaltspflichtgesetz Verpflichtungen (und fallen unter entsprechende zivilrechtliche Haftung) gegenüber Personen, die potenziell durch ihre Tätigkeit geschädigt werden. Bei Anwendung des britischen Rechts haben Sozialauditoren möglicherweise eine Sorgfaltspflicht gegenüber Arbeiter*innen, was sich auf das Haftungsrisiko auswirkt.

Der Auditvertrag selbst könnte Arbeiter*innen als Drittpartei ein Recht geben, die Auditfirma zu belangen. Idealerweise würde dieses Recht im Auditvertrag verankert. Auch wenn es darin nicht direkt erwähnt wird, könnten Gerichte den Vertrag so auslegen, dass er Arbeiter*innen implizit Rechte als Drittbegünstigte verleiht.

Was Gerichtsverfahren wegen Unternehmensverstößen im Allgemeinen angeht, wird eine Frage für Gerichte in Prozessen zu Fahrlässigkeit beispielsweise darin bestehen, die Angemessenheit der Schritte eines Unternehmens zur Schadensvermeidung zu beurteilen. Wie werden Gerichte den Einsatz von Sozialaudits durch ein Unternehmen im Hinblick auf einen Standard angemessener Sorgfalt bewerten, wenn man die offensichtlichen Schwächen des Modells bedenkt?

Mit Blick auf die Einführung verbindlicher menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten für Unternehmen wären Auditfirmen in ihrer Eigenschaft als Unternehmen gesetzlich verpflichtet, folgenschwere Menschenrechtsprobleme zu identifizieren und anzugehen. Dies sollte die Identifikation von Problemen beinhalten, die möglicherweise über die Bedingungen des Auditvertrags hinausgehen;  in einem Verfahren gegen Bureau Veritas haben Gerichte diese als Einschränkung der Sorgfaltspflicht der Auditfirma gegenüber den Arbeiter*innen ausgelegt.

Darüber hinaus sollten die menschenrechtlichen Pflichten von Unternehmen (einschließlich Auditunternehmen) beinhalten, dass Sozialaudit-Berichte öffentlich gemacht werden müssen (im Zuge des Rechts auf Information). Dies würde es Arbeiter*innen endlich ermöglichen zu überprüfen, ob Sozialauditoren Risiken und Verstöße am Arbeitsplatz korrekt identifiziert haben.

Die Regulierung der Sozialaudit-Branche und die Gewährleistung rechtlicher Möglichkeiten der Rechenschaftslegung sind wichtige Schritte, um sicherzustellen, dass Sozialaudits (angesichts der systemischen Grenzen des Modells) nicht als Ersatz für umfassende menschenrechtliche Sorgfalt verwendet werden.

Wir vom Resource Centre werden im Laufe dieses Jahres eine Zusammenfassung unserer Forschung zur potenziellen Haftung von Sozialauditoren veröffentlichen. Wir hoffen, dass unsere Recherchen eine Grundlage für rechtliche Schritte gegen Auditunternehmen sein können, die fehlerhafte Sozialaudits durchführen und damit Arbeiter*innen im Stich lassen, also genau die Menschen, die das Auditmodell zu schützen vorgibt.


[1] Allgemein gesagt bewertet und überprüft ein Sozialaudit die Einhaltung bestimmter Standards zu Arbeitsrechten und anderen sozialen Themen durch das geprüfte Unternehmen. Sozialaudits werden überwiegend von Sozialaudit-Unternehmen oder Auditgesellschaften durchgeführt. Ein Sozialaudit beinhaltet in der Regel, aber nicht immer, eine Inspektion der Einrichtungen des geprüften Unternehmens. Für weitere Informationen zu Sozialaudits siehe https://www.business-humanrights.org/en/big-issues/labour-rights/beyond-social-auditing/

Jenseits von Social Auditing

Meinung

French case law confirms necessity to reassess the weight given to audits in business and human rights court cases

Laura Bourgeois, Litigation and advocacy officer at Sherpa & Clara Grimaud, Legal intern at Sherpa 26 Mär 2024

Meinung

Ist die Prüfungs- und Zertifizierungsbranche fit für die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht?

Hannah Shaikh, Canadian lawyer and LLM Candidate at NYU School of Law, and Claudia Müller-Hoff, German lawyer and Senior Legal Advisor at ECCHR’s Business and Human Rights Program. 25 Aug 2021

View Full Series