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Artikel

19 Jan 2023

Autor:
Public Eye

Schweiz: Public Eye fordert Regulierung von Rohstoffhändlern & gerechte Besteuerung der Krisengewinne

Krieg und Krisen – und die Rohstoffhändler machen Rekordgewinne

Bis zu 95 Millionen Menschen sind gemäss der Weltbank 2022 aufgrund der Auswirkungen der Pandemie und des Kriegs in der Ukraine zusätzlich in die absolute Armut gerutscht. Gleichzeitig ist eine Abkehr von fossilen Energien aufgrund der aktuellen Versorgungsunsicherheit in weite Ferne gerückt. Eine kleine Gruppe von Unternehmen hingegen erweist sich in diesen Krisenzeiten nicht nur besonders resilient, sondern extrem profitabel: die Rohstoffhändler.

Die Händler von Erdöl, Gas, Kohle, Weizen oder Mais profitieren direkt von der steigenden Nachfrage, den höheren Preisen sowie den massiven Schwankungen auf den Rohstoffmärkten...

Waren bereits die Coronajahre 2020 und 2021 für die meisten Händler überaus gewinnträchtig, setzten die verschwiegenen Unternehmen, die allesamt ihren Handel über die Schweiz abwickeln, im ersten Halbjahr 2022 noch einen drauf und erzielten Rekordzahlen. Der weltgrösste Agrarhändler Cargill, mit globalem Handels- und Frachtgeschäft in Genf, vergrösserte seinen Gewinn im Geschäftsjahr (von Juni 2021 bis Mai 2022) gegenüber dem Durchschnitt vor der Coronakrise um 141%...

Ein Rohstoffkonzern liess mit seiner Gewinnsteigerung jedoch alle hinter sich: Glencore... [D]er Konzern [erzielte] 2021 wieder knapp 5 Milliarden US-Dollar Gewinn. Dies entspricht einer Steigerung von satten 661% gegenüber dem Durchschnitt vor der Pandemie...

Doch wer profitiert eigentlich von dieser gigantischen Geldflut? Die Verschwiegenheit der Händler ist integraler Bestandteil des Geschäftsmodells...

Auch jene Händler ohne Schweizer Hauptsitz wickeln hierzulande grosse Teile ihres Geschäfts ab und müssen deshalb als Schweizer Händler betrachtet werden. Das sieht auch die Bundesverwaltung in ihrem «Leitfaden zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte durch den Rohstoffhandelssektor» so...

Trotz der Vorherrschaft dieses Sektors gibt es kaum offizielle Zahlen über den Schweizer Rohstoffplatz...

Hinzu kommt, dass weder die Konzerne noch Bundesrat oder Parlament bis anhin willens waren, belastbare Zahlen zum Beispiel zum Anteil der Schweiz am globalen Handel mit Rohstoffen zu liefern...

Seit Jahren macht Public Eye Fälle von Korruption oder Geldwäscherei, Menschenrechtsverletzungen, ominöse Steuerdeals, den Beitrag des Sektors an die Klimakrise oder die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Sanktionen im Zusammenhang mit dem Rohstoffsektor publik. Angesicht dieser Missstände und der wachsenden volkswirtschaftlichen Relevanz des Sektors erstaunt es, dass weder die Schweizer Regierung noch das Parlament ernstzunehmende Bemühungen an den Tag legen, um diese Branche angemessen zu regulieren...

Die Risiken im Rohstoffsektor stehen in keinem Verhältnis zu den gesetzlichen Grundlagen oder Regulierungsbemühungen in der Schweiz. Die wachsende volkswirtschaftliche Bedeutung und die massiven Gewinne, die Schweizer Händler in globalen Krisen erwirtschaften, machen die Notwendigkeit einer breiten Regulierung des Sektors erneut deutlich.

Public Eye fordert deshalb:

Von der Schweizer Regierung und vom Parlament
  • Sich im Rahmen der OECD/G20 sowie der UNO für eine gerechte, globale Steuerpolitik einzusetzen, die Gewinnverschiebungen in Sitzstaaten zuungunsten von rohstoffproduzierenden Ländern verhindert.
  • Von Steuerprivilegien für Rohstoffhändler, wie der Tonnagesteuer, abzusehen und im Gegenzug im Falle von sogenannten Kriegsgewinnen eine Übergewinnsteuer für den Rohstoffsektor einzuführen sowie deren gerechte Umverteilung vorzusehen.
  • Die Transparenz im Rohstoffhandel in der Schweiz zu verbessern, insbesondere durch die regelmässige Veröffentlichung relevanter und umfassender statistischer Daten.
  • Eine umfassende Sorgfaltsprüfungspflicht im Bereich Menschenrechte und Umwelt für alle in der Schweiz ansässigen Unternehmen, inklusive Rohstoffhändler, einzuführen, welche deutlich über die jetzt geltenden Bestimmungen hinausgehen.
  • Die gesetzlichen Grundlagen für eine Rohstoffmarktaufsicht sowie eine entsprechende Behörde zu schaffen, welche die Einhaltung von Sorgfaltspflichten überwacht und allfällige Verstösse sanktioniert.
Von den Schweizer Rohstoffhändlern und Branchenvereinigungen
  • Die Transparenz zu verbessern in Bezug auf die Besitzstrukturen, Geschäftsergebnisse, Tätigkeiten in der Schweiz, Marktanteile und Steuerzahlungen.
  • Umfassende Systeme und Prozesse im Sinne einer Sorgfaltsprüfung im Bereich Menschenrechte, Umwelt und Klima, Geldwäscherei und Korruption zentral im Unternehmen zu verankern und umzusetzen sowie insbesondere öffentlich über identifizierte Risiken sowie tatsächliche Verletzungen zu berichten, diesen vorzubeugen und sie gegebenenfalls wiedergutzumachen.