Briefing: UN-Treaty würde zum systemischen Wandel im Sinne einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik beitragen
"Geschlechtergerechtigkeit im globalen Wirtschaftssystem: Ein internationales Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten („UN-Treaty“) im Sinne einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik"
Im Frühjahr des Jahres 2023 wurden im Bundeskabinett Leitlinien einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik vorgestellt. Ein internationales Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten, wie es seit dem Jahr 2014 im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UN) verhandelt wird, würde an den diskriminierenden globalen Machtstrukturen und strukturellen Ursachen von globaler Ungleichheit ansetzen und zu einem systemischen Wandel im Sinne einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik beitragen. Frauen und marginalisierte Gruppen sind in besonderer Weise von den ausbeuterischen Geschäftspraktiken in globalen Wertschöpfungsketten betroffen. Der gegenwärtige Abkommensentwurf stellt die Rechte und den Schutz Betroffener von Menschenrechtsverletzungen im Wirtschaftskontext in den Fokus und berücksichtigt, anders als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und das EU-Lieferkettengesetz, Geschlechtergerechtigkeit umfassend. Das Abkommen würde im Sinne des 3-R-Ansatzes Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und marginalisierten Gruppen stärken. [...]
Trotz der Auswirkungen des EU-Lieferkettengesetzes auch außerhalb der europäischen Grenzen wurden in die Erarbeitung der Richtlinie Betroffene von Menschenrechtsverletzungen und Länder aus dem Globalen Süden nur unzureichend eingebunden. Teilweise hängt der kommenden Richtlinie daher auch der Vorwurf eines kolonialen Ansatzes an. Der UN-Treaty-Prozess stellt hingegen einen postkolonialen Ansatz im Sinne einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik dar: Die Verhandlungen im UN-Menschenrechtsrat bieten ein Forum, bei welchem alle UN-Mitgliedstaaten gleichberechtigt vertreten sind und internationale Politik gemeinsam gestaltet werden kann. Die Initiative für den Start eines internationalen Abkommens lag bei Ländern des Globalen Südens (insb. Ecuador und Südafrika). Bis heute beteiligen sich die Länder des Globalen Südens, im Gegensatz zu den meisten Industrienationen, aktiv an den Verhandlungen. Ein Eintritt der Bundesregierung und der EU in die Verhandlungen würde daher die 5 Vgl. ausführliche Stellungnahme der Initiative Lieferkettengesetz zum LKSG: https://lieferkettengesetz.de/wp-content/uploads/2021/06/InitiativeLieferkettengesetz_Analyse_Was-das-neue-Gesetz-liefert.pdf Bereitschaft zu einer gleichberechtigten Gestaltung gemeinsamer Regeln für die Weltwirtschaft deutlich machen. Der UN-Treaty ist ein erster Schritt, um wirtschaftliche und politische Machthierarchien im Sinne einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik neu zu definieren und zu transformieren. [...]
Fazit
Wie zuvor beschrieben, bietet der UN-Treaty eine Möglichkeit, die von der Bundesregierung angestrebte feministische Entwicklungs- und Außenpolitik von der Theorie in die Praxis umzusetzen und zu einer strukturellen Transformation hin zu globaler Geschlechtergerechtigkeit und der Überwindung von Diskriminierung von Frauen und marginalisierten Gruppen im globalen Wirtschaftskontext beizutragen. Damit ein effektiver und geschlechtergerechter UN-Treaty zustande kommt und baldmöglichst in Kraft treten kann, sollten sich alle UN-Mitgliedstaaten konstruktiv an den Verhandlungen im UN-Menschenrechtsrat beteiligen und nach Konsensvorschlägen suchen. Das gilt auch für die EU, die endlich in die Verhandlungen eintreten sollte. Eine Voraussetzung dafür ist ein baldiges EU-Verhandlungsmandat für welches sich die Bundesregierung und die weiteren EU-Mitgliedsstaaten einsetzen sollten. In den Verhandlungen sollten die Länder darauf hinwirken, dass die umfassende Berücksichtigung von Geschlechtergerechtigkeit im Vertragstext beibehalten wird.