Effektive Beschwerdemechanismen im europäischen Lieferkettengesetz: Empfehlungen zur Ausgestaltung der Corporate Sustainability Due Diligence Directive
1 Hintergrund
[...] In diesem Papier liegt der Fokus auf nichtstaatlichen operativen Beschwerdemechanismen. 1 Sie sind auf Unternehmensebene oder bei unabhängigen Drittpersonen angesiedelt und ergänzen andere Abhilfemechanismen, insbesondere behördliche Verfahren (staatliche außergerichtliche Beschwerdemechanismen) und Klagen, zum Beispiel auf zivilrechtlichem Weg (staatliche gerichtliche Mechanismen). So tragen sie dazu bei, dass Rechteinhaber:innen ein möglichst vielschichtiges Abhilfesystem zur Verfügung steht. Insbesondere operative Beschwerdemechanismen können dabei wichtige Funktionen der Risikoanalyse und Prävention sowie Vertrauensbildung zwischen Rechteinhaber:innen und Unternehmen erfüllen. Sie können niedrigschwellig und frühzeitig genutzt werden und dadurch mit relativ geringem Aufwand eine sehr hohe Wirkung erzielen. Dafür müssen sie allerdings gut ausgestaltet sein und ernsthaft und kompetent betrieben werden.
Ergänzend zu unternehmenseigenen Beschwerdemechanismen können kollektive Beschwerdemechanismen, zum Beispiel auf Ebene einer Multi-Stakeholder-Initiative oder eines Industrieverbands, weitere Vorteile für Unternehmen und Rechteinhaber:innen bieten. [...]
Vor diesem Hintergrund betrachtet das vorliegende Briefing, welche Rolle operative Beschwerdemechanismen in der derzeit im Trilog zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und Rat der EU verhandelten Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) spielen. Darauf basierend werden Empfehlungen gegeben, wie das derzeitige gesetzgeberische Momentum genutzt werden kann, um EUweit die notwendigen Bedingungen für effektive operative und insbesondere kollektive Beschwerdemechanismen zu schaffen. [...]
2 Bewertung der Vorschläge auf EU-Ebene
Zusammenfassung
Es lässt sich sagen, dass der Kommissionsvorschlag die Schlüsselfunktionen – (1) Frühwarnsystem zur Ermittlung und Analyse, sowie (2) Abhilfe und Wiedergutmachung – für operative Beschwerdeverfahren gemäß UN-Leitprinzipien noch nicht angemessen umsetzt und die Wirksamkeitskriterien nur sehr lückenhaft inkorporiert. Sowohl der EU-Ministerrat in seiner gemeinsamen Verhandlungsposition als auch der Beschluss des Parlaments haben jeweils klargestellt, dass sich Beschwerdeverfahren an den Kriterien des UNLP 31 zu orientieren haben. Dies sollte, wie vom Parlament vorgeschlagen, explizit im Gesetzestext verankert werden. Darüber hinaus sollte gewährleistet werden, dass Beschwerdeverfahren so gestaltet werden, dass sie ihre Schlüsselfunktionen als Frühwarnsystem und Analyseinstrument sowie als Beitrag zu effektiver Abhilfe und Wiedergutmachung erfüllen. Im Vergleich der drei Vorschläge zeigt sich, dass die Position des Parlaments diesen Zielen am nächsten kommt und sich die EU-TrilogVerhandlungen maßgeblich hieran orientieren sollten. An einigen Stellen sollte jedoch auch die Position des Parlaments noch nachgebessert werden. [...]
3 Empfehlungen zur Gestaltung der CSDDD in Bezug auf operative Beschwerdemechanismen
Operative Beschwerdemechanismen können eine wichtige Komplementärfunktion in einem umfassenden Abhilfesystem innehaben. Der besondere Mehrwert liegt dabei gerade in der Erfüllung der beiden Schlüsselfunktionen: (1) der frühen Ermittlung und Analyse, die entscheidend ist für Prävention, sowie (2) der Abhilfe und Wiedergutmachung. Operative Beschwerdemechanismen sollten im Einklang mit den UNLP als internationalem Standard ausgestaltet werden. Nur dann können sie diese komplementären Funktionen innehaben. Dies gilt umso mehr für unabhängig bzw. gemeinschaftlich geleitete kollektive Beschwerdemechanismen. Damit sie dieses Potenzial auch realisieren können, muss die Gestaltung der CSDDD darauf abzielen, die Komplementärfunktionen zu stärken. [...]