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Der Inhalt ist auch in den folgenden Sprachen verfügbar: English

Artikel

16 Jan 2023

Autor:
The Guardian,
Autor:
taz

Großdemonstration in Lützerath: Klimaaktivist*innen kritisieren gegen sie ausgeübte "Polizeigewalt"

"Proteste gegen die Räumung von Lützerath: Gegen den Wind", 15. Januar 2023

Zehntausende protestieren: Die Polizei setzt vor dem Dorf Schlagstöcke ein, während drinnen die Zerstörung von Lützerath voranschreitet.

[...] Und dann droht noch etwas ganz anderes: eine Schlammschlachtdebatte nämlich, bei der es allerdings nicht um aufgeweichte Böden infolge von Dauerregen geht, sondern um massive Polizeigewalt.

Die Veranstalter haben mit achttausend Menschen gerechnet, es kommen trotz des fürchterlichen Wetters mehrere zehntausend, quer durch alle Generationen übrigens und von überall aus dem Land: Busse aus Berlin und Hamburg, viele Privatwagen aus Brüssel, Stuttgart oder Bühl bei Baden-Baden. [...]

Als dann Greta Thunberg, 20, die „Ikone der Klima­bewegung“ aus Schweden, deutlich verspätet ihre Rede beginnt, sind Tausende immer noch auf dem Weg zum Kundgebungsgelände. Windböen tragen Fetzen der empörten englischsprachigen Worte Thunbergs heran, unterbrochen von Jubelsalven. Sie spricht von Deutschlands Blamage in der Klimafrage, wie „absolut absurd“ es sei, weiter Kohle zu verstromen gegen alles Wissen um die Klimavernichtung. „Die wahren Führungspersönlichkeiten sind da drüben: Es sind die Menschen, die in den Baumhäusern sitzen und Lützerath seit Jahren verteidigen“, sagt Thunberg. Neue lange Jubelsalve, auch als sie die verwüstete Garzweiler-Welt mit „Mordor“ verglich, dem Schicksalsberg des Bösen im „Herrn der Ringe“. [...]

Genau dort, wo Greta Thunberg steht, soll nach neuen Erkenntnissen die Eigentumsfrage der schlammigen Äcker noch nicht geklärt sein. Die Aktivistin und Landtagsabgeordnete Antje Grot­hus (Grüne) hat den Medien am Donnerstag Dokumente zugespielt, die nahelegen, dass 4 Prozent der Flächen für die geplante Erweiterung des Tagebaus noch anderen gehört, die partout nicht verkaufen wollen, und nicht der RWE. Langwierige Enteignungsverfahren und Prozesse drohen.

In Wahrheit ist es noch schlimmer: Schon beim Deal zwischen den grünen Klimaministerien in Bund und Land mit dem Energiekonzern im Oktober letzten Jahres war das Problem bekannt, wurde aber geflissentlich verschwiegen. Bleibt ein Stück Hoffnung: „Solange die Kohle hier noch unter der Erde ist“, ruft Greta Thunberg, „ist der Kampf nicht zu Ende. Gebt nicht auf.“ [...]

In der Nacht zum Sonntag bauen die verbliebenen AktivistInnen in Lützerath, höchstens zwanzig sind es noch, nach eigenen Angaben neue Traversen zwischen die verbliebenen Baumhäuser und Pfahlkonstruktionen. Auch „Pinky“ und „Brain“, die Höhlenbewohner, bleiben tief im Untergrund versteckt. Die beiden haben sich in einem über Monate erbauten Tunnelsystem verschanzt. Schon seit dem Donnerstag versucht die Polizei sie aus ihrem Erdreich-Verließ herauszuholen. Das Vorhaben scheitert Tag um Tag.

Mittlerweile suchen Spezialkräfte des Technischen Hilfswerks nach neuen Ideen, bislang erfolglos. Am Sonntag heißt es aus Kreisen der Protestierenden: „Die Menschen im #LuetziTunnel lassen alle grüßen und haben nochmals betont, dass es sich bei ihrer Situation um eine Räumung und keine Rettung handelt.“ Am Sonntagnachmittag meldet die Polizei, dass die letzten Baumbesetzer geräumt worden sind. [...]

Zur gleichen Zeit entwickeln sich vor dem hermetisch abgeschotteten Dorf kleine Scharmützel zwischen der Polizei und den Demonstrierenden. Immer wieder versuchen Gruppen in das flutlichtgestrahlte Gelände durchzubrechen. Ob es einzelnen zeitweise gelingt, ist bis zum Sonntag umstritten. Unstrittig sind viele hässliche Szenen: Schmähgesänge und Schlammwürfe gegen die Beamten, von denen einer eine kleine Böschung heruntergeschubst wird. Der Täter entschwindet im Getümmel.

Die Gewalt greift um sich

Auf der anderen Seite ist das rabiate Vorgehen der Polizei unverkennbar: Es wird reichlich Pfefferspray versprüht, es gibt Rangeleien, Tritte der Beamten, Hundebisse gar, vor allem aber einen erschreckend heftigen Einsatz der „Einsatzmehrzweckstöcke“, wie die Polizei ihre Gummiknüppel nennt. Reiterstaffeln marschieren auf, Pferd und Beamte unter gelben Regenplanen geschützt. Videos zeigen, wie wenig die Stockschläge der Aufgabe dienen, dass kein Demonstrierender in den Ort eindringt. Es geht vielmehr um eine wahllose Maßregelung drängelnder Menschen.

Die Folgen zeigen sich am Sonntag: Verletzte auf beiden Seiten, teilweise schwer misshandelte Demonstranten, mehrere mit Knochenbrüchen und eine zeitweilig ohnmächtig. Rettungskräfte würden das ausdrücklich belegen, twittert die Aktionsgruppe „Lützerath Bleibt“ [...]

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