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Artikel

8 Jun 2024

Autor:
Deutschlandfunk

Kambodscha: Vorwürfe gegenüber EM-Sponsor adidas, in Lieferkette "Lohnraub" zugelassen zu haben; inkl. Unternehmenskommentar

"EM-Sponsor: Vorwürfe gegen Adidas in Kambodscha"

Im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft der Männer werben Sponsoren gerne mit der Nachhaltigkeit ihrer Produkte. Doch der Sponsor Adidas sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt: Der Konzern nutze Arbeitskräfte aus und sorge nicht einmal für deren Bezahlung, heißt es zum Beispiel aus Kambodscha.

In den Augen von Sithyneth Ry war Adidas immer eine Qualitätsmarke. Heute sieht er das anders. Wenn der Präsident des Unabhängigen Gewerkschaftsbunds in Kambodscha jetzt über den deutschen Sportartikelhersteller redet, fällt das Wort „Lohnraub“.

„Bei acht Zulieferern von Adidas hat es 11,7 Millionen US-Dollar Diebstahl an 30.000 Arbeitskräften gegeben. Das ist Geld, das den Menschen zusteht, die für Adidas Kleidung hergestellt haben.“

Die Zahlen basieren auf einer Schätzung von der „Kampagne für Saubere Kleidung“, einem Verbund von NGOs und Gewerkschaften. Es sind schwere Vorwürfe, die Sithenyth Ry auf einer Veranstaltung der NGOs Gesellschaftsspiele e.V. und Fairness United Ende Mai in Berlin erhebt.

Adidas soll gegen fehlenden Lohn nicht vorgegangen sein

Die Kurzfassung: Adidas habe es zugelassen, dass Arbeitskräfte in seiner Lieferkette nicht bezahlt worden seien – und unternehme bis heute nichts dagegen. Gerade im Vorfeld der Fußballeuropameisterschaft der Männer, die in Kürze in Deutschland beginnt, ist so ein Vorwurf brisant. Adidas gehört zu den offiziellen Sponsoren der EM, deren Veranstalter betonen, die nachhaltigste Europameisterschaft aller Zeiten zu organisieren. Hört man den Gewerkschafter Ry, kommen Zweifel auf. Kambodscha ist einer der wichtigsten Produktionsstandorte für Adidas. Der Mindestlohn beträgt 204 US-Dollar pro Monat – schon das zu wenig für einen angemessenen Lebensstandard. Als wegen der Corona-Pandemie die Produktion in Kambodscha gestoppt werden muss, hätten viele Arbeitskräfte nur eine geringe Lohnfortzahlung erhalten und sich deswegen verschuldet, erzählt Ry.

Auflösungsverträge statt Lohnauszahlung

Hulu Garment, ein Betrieb in der Hauptstadt Phnom Penh, der Kleidung für Adidas hergestellt hat, habe dies ausgenutzt: „Nach einem Monat, im April 2020, wurden die Arbeitskräfte zurückgeholt. Der Betrieb hat ihnen einen Vertrag vorgelegt, den sie unterschreiben müssten, damit ihnen der Lohn ausgezahlt werden könnte. Rund 200 Personen unterschreiben das auch. Aber sie bemerken erst einige Tage später, was sie da unterschrieben hatten: Es war ein Aufhebungsvertrag! Damit haben sie alle Ansprüche auf eine Abfindung oder Kündigungsfrist verloren.“ [...] 

Adidas weist Vorwürfe zurück

Der Jahresumsatz von Adidas hat 2023 rund 21 Milliarden Euro betragen. Und beim Konzern ist man sich keiner Schuld bewusst. Auf Anfrage heißt es:

„Wir weisen die Vorwürfe entschieden zurück, sie sind unzutreffend. Die Zusammenarbeit zwischen dem Hersteller Hulu Garment und einem unserer Lizenznehmer war von vornherein befristet und ist wie vertraglich vereinbart im August 2020 ausgelaufen. Alle Aufträge wurden abgearbeitet und vollständig bezahlt.“

Adidas stelle seit mehr als 25 Jahren mit vielfältigen Maßnahmen faire und sichere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten seiner Lieferkette sicher, schreibt das Unternehmen:

„Ein Team von weltweit rund 50 Expert*innen arbeitet an der Anwendung und Einhaltung unserer Arbeitsplatzstandards. Im Jahr 2023 führte Adidas mehr als 1.200 Fabrikaudits bei Zulieferern durch. Bei Verstößen gegen unsere Standards gibt es einen Sanktionsmechanismus bis hin zur Beendigung der Geschäftsbeziehung.“

Gewerkschafter: „Druck von Verbrauchern erzeugen“

Aber nicht nur eine kambodschanische Gewerkschaft erhebt Vorwürfe. In einem offenen Brief an Adidas von der Initiative „Sport handelt Fair“, der von 49 Institutionen unterzeichnet wurde, heißt es im Januar dieses Jahres:

„Es darf nicht sein, dass Arbeiter*innen auch in Ihren Zulieferbetrieben wochenlang Überstunden leisten müssen, gesundheitliche Schäden durch mangelnden Arbeits- und Gesundheitsschutz erleiden, Hungerlöhne erhalten, unter zu hoher Arbeitslast arbeiten, weshalb Pausenzeiten oft nicht eingehalten werden, und ihre Jobs verlieren, sobald sie sich gegen die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen wehren. Bitte kümmern Sie sich umgehend darum, dass mehr als nur ein Prozent des Trikotpreises bei den Textilarbeiter*innen ankommen und es keine Zwangsarbeit in der Trikotproduktion mehr gibt.“ [...] 

Aber solche Schritte seitens großer Sportartikelhersteller werden Sithyneth Ry und seine Mitstreiter wohl hart erkämpfen müssen. Denn nach Auffassung von Adidas ist die eigene Lieferkette offenbar längst nachhaltig.

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