Russland: Wintershall Dea liefert mit Joint Ventures laut ZDF-Recherche mutmaßlich Rohstoffe für die Herstellung von Militärdiesel
"Diesel für Krieg: Was wusste Wintershall Dea?", 28. April 2023
Der deutsche Mineralölkonzern Wintershall Dea ist mit seinen russischen Joint Ventures unfreiwilliger Rohstofflieferant für die Herstellung von Militärdiesel.
Wie sehr ist der deutsche Konzern Wintershall Dea in die russische Kriegsmaschinerie verstrickt? Diese Frage rückt angesichts aktueller Recherchen von ZDF frontal erneut in den Fokus. Denn neue Hinweise erhärten den Verdacht, dass Wintershall Dea über seine russischen Beteiligungen Rohstoff lieferte zur Produktion von militärischem Treibstoff, den Russland in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine nutzen kann.
Recherchen von ZDF frontal und "Spiegel" deckten im vergangenen November auf, dass Wintershall Dea in die russische Kriegsmaschinerie verstrickt ist. Der deutsche Konzern lässt in Sibirien gemeinsam mit Gazprom Gaskondensat fördern. Kondensat ist ein leichtes Öl. Das gelangte in eine Lieferkette für militärisch genutzten Treibstoff im Ukraine-Krieg, so die Recherchen.
Wintershall Dea hatte diese Recherchen zurückgewiesen. Das Kondensat werde ab Bohrloch direkt an Gazprom übergeben, auf die weitere Verwendung habe man keinen Einfluss. Eine Verbindung zum russischen Angriffskrieg sei "konstruiert".
Neue Recherchen zu Militärdiesel
Neue Recherchen von ZDF frontal zeigen jetzt: Ein bedeutender Teil des Kondensats, das Wintershall Dea und Gazprom in Westsibirien fördern lassen, gelangt zur Gazprom-Raffinerie Salavat. Vertreter von Wintershall und deren Mutterunternehmen BASF hatten eben diese Raffinerie 2018 zu einem mehrtägigen Arbeitstreffen besucht. Dabei ging es um den Ausbau der langfristigen Zusammenarbeit zwischen Russen und Deutschen.
Ausgerechnet diese Raffinerie Salavat ließ sich vom russischen Verteidigungsministerium für die Herstellung von Militärdiesel zertifizieren, und zwar wenige Monate vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Im November 2021 veröffentlichte Gazprom eine Pressemitteilung zum Militärdiesel - in englischer Sprache. Darin heißt es: Die Raffinerie Salavat werde weiterhin Produkte an das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation liefern.
Auf Nachfrage des ZDF erklärt Wintershall Dea, davon nichts gewusst zu haben. Das sei schwer nachvollziehbar, meint der Bundestagsabgeordnete Robin Wagener von den Grünen: "Wer in einer aggressiven Diktatur Geschäfte machen will, ist mindestens verantwortlich dafür, sich genau über alle öffentlich verkündeten Machenschaften des Regimes im Umfeld zu informieren", sagt Wagener. [...]
Wintershall Dea weist Anschuldigungen zurück
Wintershall Dea widerspricht und erkennt auch in den neuen Recherchen keinen Beleg für eine Verwendung des geförderten Kondensats für militärische Zwecke: "Wir weisen diese Anschuldigungen zurück", heißt es aus der Kasseler Unternehmenszentrale.
Für die ukrainische Regierung fordert Präsidentenberater Ustenko Wintershall Dea auf, das Russlandgeschäft endlich aufzugeben. [...]
Ein Ausstiegsdatum will Wintershall Dea auf Nachfrage von ZDF frontal nicht nennen. Der Rückzug bleibe ein "langwieriger Prozess", erklärt ein Unternehmenssprecher, weil die russische Regierung beständig neue Hindernisse schaffe. Aber: "Die Entscheidung, sich aus Russland zurückzuziehen, ist endgültig. Es gibt kein Zurück." [...]