Wirtschaft & Menschenrechte und die deutsche EU-Ratspräsidentschaft
Am 1. Juli 2020 übernahm die Bundesrepublik Deutschland für ein halbes Jahr den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Die Erwartungen und Chancen sind groß, dass diese deutsche EU-Ratspräsidentschaft das Thema Wirtschaft & Menschenrechte auf europäischer Ebene entschieden voranbringen kann, als integraler Bestandteil eines nachhaltigen Wiederaufbaus nach der Corona-Pandemie. Im Mittelpunkt steht eine verbindliche EU-Gesetzgebung zu menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten von Unternehmen, wie sie Justizkommissar Didier Reynders Ende April angekündigt hat (mehr zur aktuellen Online-Konsultation der Kommission zu diesem Thema finden Sie hier).
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentliche über den Sommer einen thematischen Präsidentschafts-Reader, u.a. zu "Global Supply Chains - Global Responsibility", und veranstaltete am 6. und 7. Oktober 2020 eine Online-Konferenz, auf der die Notwendigkeit von verbindlichen Sorgfaltspflichten und verbessertem Zugang zu Abhilfe sowie die breite Unterstützung für solche Regelungen deutlich wurden. Ein Ergebnis-Papier und die Video-Aufnahme (1. Konferenztag) sind online verfügbar.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) veranstaltete am 24. November 2020 ein virtuelles Forum (Link führt auch zur Video-Aufnahme), bei dem Stakeholder aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und dem öffentlichen Sektor - aus dem globalen Süden und Norden - diskutierten, wie eine wirkungsvolle EU-Regelung zu verbindlichen Sorgfaltspflichten und Unternehmenshaftung als Teil eines "Smart Mix" gestaltet werden könnte. Das Kompendium "Towards EU Mandatory Due Diligence Legislation", koordiniert und veröffentlicht vom Business & Human Rights Resource Centre in Kooperation mit BMZ und Deutscher Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), wurde im Rahmen dieser Online-Veranstaltung präsentiert.
Am 1. Dezember verabschiedete der Rat der Europäischen Union einstimmig Ratsschlussfolgerungen zum Thema "Menschenrechte und gute Arbeit in globalen Lieferketten", in denen sich die EU-Mitgliedstaaten erstmalig und gemeinsam für ein europäisches Sorgfaltspflichtengesetz aussprechen. Sie fordern die EU-Kommission auf, einen Vorschlag für einen EU-Rechtsrahmen vorzulegen, der unternehmerische Sorgfaltspflichten entlang globaler Lieferketten regelt.
Beobachter*innen sind sich einig, dass eine ambitionierte Sorgfaltspflichtengesetzgebung in Deutschland den Anstrengungen auf EU-Ebene Glaubwürdigkeit verleihen würde und Vorbildcharakter haben könnte. In der Debatte zu einem deutschen Gesetz - mit einer breiten zivilgesellschaftlichen Allianz und großer öffentlicher Anteilnahme, wachsender Unternehmensunterstützung und ersten Eckpunkten der Bundesminister Hubertus Heil und Gerd Müller - bremsen laut Medienberichten derzeit noch das Bundeswirtschaftsministerium und möglicherweise auch die Bundeskanzlerin.
Hier dokumentieren und sammeln wir aktuelle Entwicklungen, Stellungnahmen und Materialien zu "Wirtschaft & Menschenrechten" im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft.