Katar: WM-Organisationschef wollte mutmaßlich Berichterstattung über ausbeuterische Arbeitsbedingungen auf WM-Baustellen verhindern
"Katar – Wollte der WM-Chef Berichte über Arbeitsbedingungen auf WM-Baustellen verhindern?", 25. Oktober 2021
Abdullah Ibhais wurde im April zu fünf Jahren Haft verurteilt. Der 35-jährige Jordanier war Kommunikationsdirektor für das Organisationskomitee der FIFA WM 2022 in Katar. Laut Anklage wurden ihm im Rahmen eines Marketingauftrages unter anderem Missbrauch von Geldern und Bestechung vorgeworfen...
Die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch (HRW) und Fairsquare hatten Anfang Oktober gegen das Urteil protestiert...
Im Sportschau-Interview erhebt Abdullah Ibhais schwere Vorwürfe gegen das WM-Organisationskomitee...
Als Beleg dafür übermittelte er der Sportschau einen internen WhatsApp-Chatverlauf aus dem Jahr 2019. Teilnehmer an diesem Chat waren unter anderem WM-Chef Hassan Al-Thawadi, Mahmoud Qutub, der Exekutivdirektor Workers' Welfare und somit zuständig für Gastarbeiter auf WM-Baustellen, mehrerer Mediendirektor:innen sowie Ibhais.
Um die Echtheit der Chats zu überprüfen, übersandte die Redaktion einen Fragenkatalog, Namen der Teilnehmer, Chatauszüge und Zeitpunkt des Chatverlaufs an das WM-Organisationskomitee. Das Komitee dementiert nicht die Echtheit der Chatprotokolle, nennt die Vorwürfe von Abdullah Ibhais allerdings absurd, ohne jede Grundlage und vollkommen falsch. Man habe 2019 bei Abdullah Ibhais Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Dienstleistungsaufträgen festgestellt und dies den Behörden pflichtgemäß gemeldet...
Am 4. August 2019 und den folgenden Tagen herrschte - so legt der Chatverlauf nahe - große Aufregung unter den hochrangigen Funktionär:innen, ausgelöst durch massive Proteste und Demonstrationen von Gastarbeitern des Unternehmens ISKAN wegen ausgebliebener Löhne, eingezogener Ausweispapiere und schlechter Unterbringungen...
In der "Crisis Comms"-WhatsApp-Gruppe habe nun WM-Chef Al-Thawadi - so berichtet Abdullah Ibhais - darauf gedrängt zu verbreiten, dass die Demonstrationen und Streiks nichts mit der WM 2022 zu tun hätten. Aus dem von ihm übermittelten Chatverlauf erscheint schlüssig, dass WM-Organisationschef Thawadi entgegen objektiver eigener Erkenntnisse einen entsprechenden "Spin" erzeugen wollte.
Eine Mitarbeiterin hatte ihn laut Chat darauf hingewiesen, dass auch mindestens 203 Bauarbeiter, die auf WM-Baustellen tätig seien, über Monate kein Gehalt bekommen hätten. Tatsächlich wurde dem WDR damals auf Nachfrage dieser Sachverhalt verschwiegen. Das WM-Organisationskomitee schreibt heute, dass die Frustration im Chat vom Wunsch herrührte, die ausstehenden Gehälter schnellstmöglich zu bezahlen. Dies sei schließlich für die WM-Bauarbeiter bis zum 9. August 2019 erreicht worden...
Im Chat widerspricht [Ibhais] direkt seinem vorgesetzten WM-Chef Al-Thawadi. Das WM-Organisationskomitee dürfe seiner Meinung nach nicht in der von Al-Thawadi geforderten Form öffentlich reagieren. Das WM-Organisationskomitee schließt nachdrücklich aus, dass es Vergeltung an Ibhais nehmen wolle.
Im Oktober 2019 hatte es eine interne Untersuchung gegen ihn gegeben, und im November wurde er festgenommen...