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Artículo

10 Jun 2021

Autor:
Caspar Dohmen, Süddeutsche Zeitung

Kommentar: "Jetzt soll das überfällige Gesetz endlich kommen"

Wenn der Bundestag am Freitag für ein Lieferkettengesetz stimmen sollte, wird es ein überfälliger Schritt sein...

...Seit 1980 haben sich die Gewinne grenzüberschreitend tätiger Konzerne mehr als verdoppelt, maßgeblich wegen der Produktion in Lieferketten. Unübersehbar haben von der Entwicklung viele Unternehmer und Arbeitende in den Billiglohnländern profitiert.

Genauso unübersehbar verharren jedoch viele Arbeitende in Armut, ob Näherinnen, Minen- oder Erntearbeiter. Selbst schwere Menschenrechtsverstöße sind noch immer alltäglich in Lieferketten.... In der Verantwortung wären in erster Linie die Regierungen der Billiglohnländer, aber sie wollten oder konnten nicht handeln, weil sie den Verlust von Aufträgen fürchteten. Die Regierungen der Industrieländer setzten dagegen auf freiwillige Maßnahmen der Unternehmen. Manche handelten, aber insgesamt scheiterte der Ansatz kläglich...

Vermeintlich fällt das Gesetz in Deutschland zaghaft aus. Schließlich wird nur eines von tausend Unternehmen erfasst werden... Und sie sollen sich lediglich bemühen, die Risiken ihrer direkten Zulieferer zu erfassen. Das mag in manchen Branchen bereits eine gewisse Wirkung entfalten... Aber es ergibt kaum Sinn, wenn die direkten Zulieferer vor allem in Deutschland sitzen, wie etwa in der Automobilindustrie.

Darüber hinaus müssen Unternehmen aber auch bei ihren mittelbaren Zulieferern aktiv werden, wenn sie von menschenrechtlichen Problemen in ihren Lieferketten erfahren. Spannend ist die Frage, wann dies der Fall sein wird... Mutig wäre es gewesen, wenn das Gesetz selbst - wie ursprünglich vorgesehen - eine zivilrechtliche Haftung begründet hätte, so wie in Frankreich.

Aber die Idee wurde auf massiven Druck großer Teile der Wirtschaft verworfen. Deswegen können Betroffene von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten hiesiger Unternehmen vor deutschen Gerichten weiter nur nach dem Recht ihres Heimatlandes klagen. Das ist kompliziert und aufwändig, und geschah bislang fast nie. Daran wird sich auch wenig ändern, wenn künftig Nichtregierungsorganisationen oder Gewerkschaften stellvertretend für solche Menschen klagen können...

...Das Gesetz ist... ein Kompromiss, aber es ist nicht zahnlos. Denn eine Behörde wird kontrollieren, ob die Unternehmen ihren Verpflichtungen nachkommen. Tun sie dies nicht, drohen Geldbußen und der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen. Entscheidend ist jedoch, dass Deutschland endlich Unternehmen mit in die menschenrechtliche Verantwortung für ihre Lieferketten nehmen wird. Das war noch vor zehn Jahren undenkbar.

[V]iele Unternehmen halten dies auch für notwendig. Aber ein gehöriger Teil der Wirtschaft, darunter die Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände und der Verband der Familienunternehmer, kämpft bis zum Schluss gegen das Gesetz. Dabei ist der Paradigmenwechsel in Deutschland überfällig.

Dennoch: Es ist nur ein erster Schritt, dem viele weitere - vor allem auf europäischer und internationaler Ebene - folgen müssen, um die Lage für die Menschen zu verbessern, die erheblich zum Wohlstand des Westens beitragen.

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