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Article

11 Giu 2024

Author:
taz

Deutsche Bahn in Brasilien: Kritik an Amazonas-Projekt

Die Deutsche Bahn will sich an einem Schienenprojekt in Brasilien beteiligen. Ak­ti­vis­t*in­nen warnen vor Umwelt- und Menschenrechtsrisiken.

Mikaell de Souza Carvalho steht am Potsdamer Platz in Berlin vor einer Glastür mit dem Logo der Deutschen Bahn. Eine Pförtnerin öffnet, Carvalho überreicht ihr einen Umschlag. Es ist ein Beschwerdebrief. „Wir haben unseren Teil gemacht, jetzt ist die Bahn gefordert.“ [...]

Im vergangenen Jahr verbreitete sich die Nachricht, dass drei portugiesische Geschäftsleute den Bau eines Megahafens samt einer 520 Kilometer langen Bahntrasse planen. Diese Strecke soll vom Landesinneren zum Atlantik führen und ausschließlich dem Gütertransport dienen. Es sollen Eisenerze, Kupfer, Mais und Soja transportiert werden. Das Ziel: Rohstoffe schneller ins Ausland exportieren, auch nach Deutschland.

Die Insel Cajual gehört zu einem Umweltschutzgebiet. Im Jahr 2017 unterzeichnete eine Bewohner*innen-Vereinigung einen Vertrag, der das Nutzungsrecht von Teilen des Gebietes für die Errichtung und den Betrieb des Hafens vorsieht. Die auf der Insel lebenden Menschen sollen umgesiedelt werden. Außerdem verspricht der Konzern den An­woh­ne­r*in­nen eine Gewinnbeteiligung, neue Arbeitsplätze und wirtschaftliche Entwicklung für den gesamten Bundesstaat. [...]

An­woh­ne­r*in­nen nicht genügend aufgeklärt

Ak­ti­vis­t*in­nen wie Carvalho kritisieren allerdings, die Be­woh­ne­r*in­nen seien nicht oder nicht ausreichend über die Folgen des Projekts aufgeklärt worden. Das Vorgehen verletze das Recht auf Konsultation und freie, vorherige und informierte Zustimmung der ILO-Konvention 169, die sowohl Brasilien als auch Deutschland unterzeichnet haben.

Im Januar 2023 erklärte die Deutsche Bahn in einer Pressemitteilung, ein Memorandum of Understanding mit GPM unterzeichnet zu haben. Es sieht die Beteiligung der DB E.C.O. Group an dem Projekt als sogenannter Shadow Operator vor.“ Richtig ist: „Es sieht die Beteiligung der DB Engineering & Consulting an dem Projekt als sogenannter Shadow Operator vor.

Kri­ti­ke­r*in­nen sehen das anders. Neben Abholzung und Umweltverschmutzung befürchten sie auch Menschenrechtsverletzungen. In der Region gibt es viele Quilombos. Das sind selbstverwaltete Gemeinden von Nachfahren versklavter Menschen, die in Brasilien besonderen Schutz genießen. Die Bahnlinie würde zudem voraussichtlich sehr nah an indigenen Gebieten verlaufen, ebenso durch das Gebiet von Kleinbauern. [...]

Neokoloniale Logik

„Aus unserer Sicht sind die Risiken so massiv, dass man das Projekt nicht durchführen kann“, sagt der deutsche Aktivist und Bergbauexperte Constantin Bittner. Das Projekt vertiefe zudem eine „neokoloniale Logik“. Aus Lateinamerika würden Primärrohstoffe exportiert, die in Deutschland und anderen Ländern weiterverarbeitet werden, wodurch dort die Wertschöpfung entsteht.

Eine Sprecherin erklärte auf taz-Nachfrage, das Bahn-Subunternehmen sei bisher „in keiner Weise in dem Projekt vertraglich involviert.“ Es sei lediglich ein unverbindliches Memorandum of Understanding für eine mögliche Zusammenarbeit unterzeichnet worden, um für das Infrastrukturprojekt fachliche Leistungen zu erbringen. Allerdings heißt es in einem Online-Artikel der Bahn, die DB E.C.O. Group entwickle das Projekt zusammen mit der GPM und anderen brasilianischen Partnern. Auf LinkedIn bezeichnete einer der CEOs der GPM die Bahn als „strategischen Partner“.

Die Bahn-Sprecherin betont, es gehöre zu den Voraussetzungen für eine mögliche Beteiligung, dass Umweltauflagen „von einer von GPM unabhängigen Instanz bestätigt werden.“ Bittner und andere Ak­ti­vis­t*in­nen fordern die Bahn allerdings auf, eine eigene menschenrechtliche und umweltbezogene Risikoanalyse durchführen zu lassen. [...]

Im Südosten Mexikos ist sie durch ein Tochterunternehmen als Shadow Operator in das Megainfrastruktur- und Tourismusprojekt Tren Maya involviert. Recherchen zufolge führt dieses Projekt zu massiver Umweltzerstörung und Militarisierung, indigene Gemeinden sollen nicht ausreichend konsultiert worden sein. Wie nun in auch in Brasilien. [...]