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Story

27 Nov 2020

Schweizer Konzernverantwortungs-Initiative erreicht Mehrheit bei Gesamtstimmen, scheitert aber am Ständemehr

Die Konzernverantwortungsinitiative wurde im Herbst 2016 mit 120.000 gültigen Unterschriften eingereicht. Sie fordert, dass Firmen den Schutz von Menschenrechten und der Umwelt verbindlich in sämtliche Geschäftsabläufe einbauen. Diese sogenannte Sorgfaltsprüfungspflicht gilt auch für die Auslandstätigkeiten von Schweizer Unternehmen.

Die Regierung (Bundesrat) lehnte die Initiative ab und reichte auch keinerlei Gegenvorschlag ein. Im November 2017 sprach sich aber die ständerätliche Kommission für Rechtsfragen, die sich als erste der beiden Volkskammern mit der Initiative befasste, für einen indirekten Gegenvorschlag aus. Eine Gruppe großer Schweizer Unternehmen unterstützte das Vorhaben. Am 11. Dezember 2017 lehnte die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats einen indirekten Gegenvorschlag zunächst ab, sprach sich am 20. April 2018 aber doch für einen indirekten Gegenentwurf im Rahmen einer Aktienrechtsrevision aus und legte am 4. Mai 2018 eine Vorlage vor, die wesentliche Punkte der Initiative aufgreift. Am 14. Juni 2018 nahm der Nationalrat den indirekten Gegenentwurf an.

In ihrer Sitzung vom 19. Februar 2019 nahm die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates den Entwurf an, fügte jedoch u.a. eine Subsidiaritätsregelung hinzu, nach der  Kläger soweit zumutbar im Ausland gegen mutmaßliche Rechtsverletzungen durch eine Tochtergesellschaft vorgehen sollten (und nicht in der Schweiz, dem Sitz des Mutterkonzerns). Zivilgesellschaftliche Organisationen kritisierten, dass der Gesetzentwurf dadurch zahnlos würde. 

Am 12. März 2019 beschloss der Ständerat, sowohl die Konzernverantwortungsinitiative als auch den Gegenvorschlag seiner Rechtskommission abzulehnen. Somit wurde die Entscheidung zurück an den Nationalrat verwiesen, der in zweiter Lesung am 13. Juni 2019 am Gegenentwurf festhielt und das Dossier zurück an den Ständerat verwies.

Die ständerätliche Rechtskommission beantragte am 14. August 2019, dass sich der Ständerat abermals mit dem Gegenvorschlag befasst. Einem von der Rechtskommission in Auftrag gegebenen Gutachten zufolge wird in vielen Ländern eine außervertragliche "Haftung von kontrollierenden Unternehmen... auf der Grundlage der allgemeinen Fahrlässigkeitshaftung mindestens unter gewissen Umständen bejaht".

Am 4. September 2019 beantragte die Rechtskommission dem Ständerat, einen Gegenentwurf zur Konzernverantwortungsinitiative anzunehmen, der eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen vorsieht. Die Kommission schlug allerdings vor, juristischen Klagen ein obligatorisches Schlichtungsverfahren vor dem Nationalen Kontaktpunkt (NKP) für die OECD-Leitsätze voranzustellen. In einer Stellungnahme vom 10. September erklärte sich das Initiativkommittee dennoch bereit, die Konzernverantwortungsinitiative zurückzuziehen, falls der Gegenvorschlag in der Fassung vom September 2019 oder in der Fassung des Nationalrates vom 14. Juni 2018 endgültig verabschiedet werde.

Ebenfalls im September 2019 reagierte der Autor der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, John Ruggie, in einem Brief an das Resource Centre auf Bedenken der Wirtschaft bezüglich der Konzernverantwortungsinitiative und stellte klar, dass verbindliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen im Einklang mit den UN-Leitprinzipien stehen. Mehr dazu hier.

Am 18. Dezember 2019 stimmte der Ständerat gegen den o.g. Gegenvorschlag und verabschiedete stattdessen einen von der Regierung angeregten Entwurf, der sich auf Berichts- und einige themenspezifische Sorgfaltspflichten (Kinderarbeit, Konfliktmineralien) beschränkt und daher u.a. von zivilgesellschaftlicher Seite scharf kritisiert wird. Am 31. Januar 2020 beschloss die Rechtskommission des Nationalrates, an ihrem stringenteren Gegenentwurf festzuhalten, und im März setzte sich dieser Vorschlag erneut im Nationalrat durch.

Am 2. Juni 2020 beschloss der Ständerat, an seinem stark abgeschwächten Gegenvorschlag festzuhalten. Am 4. Juni schlug eine parlamentarische Einigungskonferenz, die Differenzen zwischen den Vorschlägen der beiden Parlamentskammern bereinigen sollte, dem National- und Ständerat die Verabschiedung des auf Berichts- und einige themenspezifische Sorgfaltspflichten beschränkten Gegenvorschlags ohne Haftungsregeln vor. National- (mit knapper Mehrheit) und Ständerat stimmten diesem am 8./9. Juni zu. Unterstützt wurde dieser Gegenvorschlag von rechten und konservativen Parteien sowie dem großen Verband Economiesuisse. Der stringentere Vorschlag mit Haftungsregeln und breiten verbindlichen Sorgfaltspflichten war von neun mittelgroßen Unternehmensverbänden und Firmen wie Nestlé unterstützt worden; die Organisatoren der Konzernverantwortungsinitiative hatten sich bereiterklärt, die Initiative  zurückzuziehen, sollte das Parlament diesen Gegenvorschlag verabschieden.

Da die Version sich jedoch nicht durchsetzte, kommt es - nach intensivem Abstimmungskampf, in dem sich Unterstützer der Initiative u.a. Falschmeldungen und diffamierenden Videos gegenübergestellt sahen - am 29. November zur Volksabstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative.

Insgesamt stimmten 50,7% der Bürger*innen mit "Ja", aber aufgegliedert auf Kantone fehlten am Ende wenige Tausend Stimmen, um gleichzeitig auf die mindestens erforderlichen 12 Mehrheiten (statt wie jetzt 8,5) auf kantonaler Ebene zu kommen. Die Initiative scheiterte damit am sog. Ständemehr und der abgeschwächte, auf Berichtspflichten fokussierende parlamentarische Gegenvorschlag tritt 2021 in Kraft. Die Initianten äußerten sich enttäuscht, sehen sich angesichts des zu Beginn der Kampagne undenkbar erscheinenden Resultats von 50,7% aber in ihrem Anliegen für mehr Konzernverantwortung entschieden bestärkt. Die Bewegung werde weitergehen.

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