Gegenvorschlag zur Schweizer Konzernverantwortungsinitiative: Zivilgesellschaft kritisiert Umsetzungsentwurf des Bundesrates
"Keller-Sutter schockiert die Konzernkritiker", 28. Juni 2021
Die Initianten konnten aber eine Art symbolischen Sieg verbuchen – und sie bekamen, immerhin, den Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament. Dieser nimmt die Konzerne bei den Menschenrechten nicht in Haftung wie die Initiative, sollte aber gleichwohl «Mensch und Umwelt noch besser schützen». So versprach es Justizministerin Karin Keller-Sutter (FDP) im Abstimmungskampf.
Nun jedoch wird bekannt, wie Keller-Sutter den Gegenvorschlag effektiv umsetzen will. Und über ihre Vorschläge, die derzeit in öffentlicher Vernehmlassung sind, zeigen sich die Initianten konsterniert. «Das ohnehin lasche Gesetz wird damit vollends entwertet», konstatiert Rahel Ruch, die Geschäftsleiterin der Initiative.
Es geht dabei vor allem um das Herzstück des Gegenvorschlags: die sogenannten Sorgfaltspflichten. Betroffen sind Unternehmen mit Produkten, bei denen ein begründeter Verdacht besteht, dass sie auf Kinderarbeit beruhen – oder Firmen, die mit «Konfliktmineralien» aus häufig problematischer Herkunft handeln (Zinn, Tantal, Wolfram, Gold). Diese Betriebe werden zu einer Reihe spezieller Vorkehrungen verpflichtet, wie beispielsweise Kontrollen vor Ort. Keller-Sutters Gegenvorschlag sieht nun aber verschiedene Ausnahmen und Hintertüren vor, unter anderem für die folgenden Fälle:
- Alle KMU. Sämtliche KMU mit weniger als 250 Mitarbeitenden und einer gewissen Obergrenze bei Umsatz und Bilanz sind von der Sorgfaltspflicht zur Kinderarbeit pauschal befreit.
- «Geringe Risiken». Firmen mit «geringen Risiken» brauchen zur Kinderarbeit ebenfalls keine Vorkehrungen zu treffen. Gemeint sind Firmen, die nicht direkt mit Hochrisikoländern geschäften...
- Selbstdeklaration. Alle Unternehmen haben die Option, sich per Selbstdeklaration zu einem «international anerkannten gleichwertigen Regelwerk» gegen die Kinderarbeit zu bekennen. Auch in diesem Fall sollen sie von den Sorgfaltspflichten nach Schweizer Recht befreit sein.
- Kleinhändler: Im Bereich der Konfliktmineralien sind ebenfalls Ausnahmen vorgesehen. So greifen die Pflichten erst ab einer bestimmten Einfuhrmenge...
Besonders stossend findet Ruch, dass man die Initiative einst mit dem Argument bekämpft habe, es brauche eine international abgestimmte Lösung. «Mit dieser Verordnung wird die Schweiz jetzt hinter die meisten europäischen Länder zurückfallen», so Ruch. «Nach Frankreich haben nun auch Deutschland und Norwegen Regulierungen beschlossen, die viel strenger sind. Auch in der EU plant man weitergehende Verschärfungen.» ...
Bis zum 14. Juli läuft die Vernehmlassung, danach werden die Stellungnahmen ausgewertet. Bis dann die Verordnung überarbeitet und vom Bundesrat genehmigt ist, wird einige Zeit vergehen. Erst danach dürfte sich klären, wie die Initianten weiter vorgehen werden: ob vielleicht irgendwann über eine Neuauflage der Konzerninitiative abgestimmt wird.