EU: Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen warnen vor Critical Raw Materials Act & fordern Nachbesserungen für Schutz von Umwelt und Menschenrechten
"EU-Rohstoffgesetz: Zivilgesellschaft fordert Nachbesserungen für Schutz von Umwelt und Menschenrechten"
Berlin (22. Mai 2023). Mit großer Sorge blicken Umwelt- und Menschenrechtsorganisation in dieser Woche nach Brüssel. Mehrere EU-Institutionen, darunter der Industrieausschuss des EU-Parlaments und der Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ der Mitgliedstaaten, diskutieren in den kommenden Tagen über das europäische Gesetz zu Kritischen Rohstoffen („Critical Raw Materials Act“). Die Organisationen warnen davor, dass der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form massive Risiken für Menschenrechte und Umwelt berge – er könne sogar die demokratische Teilhabe innerhalb und außerhalb der EU aushebeln. Werden sogenannte strategische Rohstoffprojekte, wie in dem Entwurf vorgesehen, als „übergeordnetes öffentliches Interesse" eingestuft, könnten sie zum Beispiel über Umweltschutz-belange gestellt werden. Rohstoffreiche Länder könnten zudem weiterhin auf die Rolle von Rohstofflieferanten und als lukrative Absatzmärkte für den Globalen Norden reduziert werden, befürchten die Organisationen.
„Reduktionsstrategien fehlen in dem Entwurf. Dies ist nicht nur ökologisch und menschenrechtlich fatal. Mehr Bergbau wird auch die Versorgungssicherheit nicht erhöhen, wenn wir weiterhin viele Kritische Rohstoffe nur zehn Jahre in der menschlichen Nutzung halten. So bleiben wir von nicht-demokratischen Staaten abhängig. Mit dem Gesetz zu Kritischen Rohstoffen suggeriert die EU, man könne einfach so weiter wirtschaften wie bisher, indem fossile durch metallische Rohstoffe ersetzt werden. Dabei entstehen zehn bis 15 Prozent der globalen CO2-Emissionen beim Bergbau oder der Weiterverarbeitung zu Metallen“, kritisiert Michael Reckordt, Teamleiter im Bereich Rohstoffe bei PowerShift. [...]
Pia Marchegiani, stellvertretende Direktorin der argentinischen Umweltorganisation FARN und Partnerorganisation von Brot für die Welt kommentiert: „Die Umsetzung zentraler Rechte wie das Recht auf Partizipation sowie das Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung indigener und lokaler Gemeinschaften, wie sie im Escazú-Abkommen und in der ILO-Konvention 169 anerkannt werden, ist Aufgabe des Staates. Sie kann nicht an Unternehmen, Auditor*innen oder andere Dritte delegiert werden. Aus diesem Grund dürfen Industriestandards und Zertifizierungen keine Rolle im europäischen Gesetz zu Kritischen Rohstoffen spielen."
Hintergrund: Das europäische Gesetz zu Kritischen Rohstoffen (Critical Raw Materials Act) soll die Versorgung mit wichtigen Rohstoffen für die Industrie im Bereich der Energiewende, Digitalisierung, Verteidigung und Raumfahrt innerhalb der EU sicherstellen. Die Europäische Kommission führt aktuell 34 Rohstoffe als kritisch auf, darunter Lithium und Kobalt. Die Ausschüsse des Europäischen Parlaments wollen nach der Sommerpause über das Gesetz abstimmen.