„Kurskorrekturen dringend nötig“: Statement der Initiative Lieferkettengesetz zum Beschluss des EU-Ministerrats
Der EU-Ministerrat für Wettbewerbsfähigkeit hat sich heute zum geplanten EU-Lieferkettengesetz positioniert. Johannes Heeg, Sprecher des zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Initiative Lieferkettengesetz“, kommentiert:
„Endlich nimmt das geplante EU-Lieferkettengesetz wieder an Fahrt auf – gut, dass die Bundesregierung mit an Bord ist und dem Ratsbeschluss zugestimmt hat. Trotzdem sind dringend Kurskorrekturen nötig, um Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung wirksam aus den Lieferketten von Unternehmen zu verbannen. Denn im EU-Ratsbeschluss klaffen große Lücken, auch im Vergleich zum Entwurf der EU-Kommission aus dem Frühjahr.
Geht es nach dem Rat, wären Waffenexporte nicht erfasst. Für Finanzdienstleistungen sind nur sehr eingeschränkte Sorgfaltspflichten vorgesehen und Mitgliedstaaten können sogar ganz davon absehen, diese konkret zu regulieren. Außerdem müssten sich Exporteure nicht mit der Verwendung ihrer Produkte beschäftigen. Damit wären zum Beispiel Agrarkonzerne fein raus, selbst wenn ihre Pestizide die Gesundheit von Bauern und Plantagenarbeiterinnen schädigen. Und anders als von der EU-Kommission vorgeschlagen, müssten Unternehmen die Vergütung ihrer Vorstände nicht daran knüpfen, ob sie ihre eigenen Klimapläne auch umgesetzt haben.
Immerhin: Der Ratsbeschluss umschifft einige Schwächen des deutschen Lieferkettengesetzes. Die Sorgfaltspflichten gelten ohne Abstufung auch für Zulieferer in der tieferen Lieferkette. Und, besonders wichtig: Unternehmen müssten vor Zivilgerichten in der EU für Schäden haften, die sie durch Verstöße gegen Sorgfaltspflichten verursacht haben. Die von der Bundesregierung an dieser Stelle geforderten Schlupflöcher für Unternehmen haben keinen Eingang in die Ratsposition gefunden.
Umso bestürzter sind wir, dass die Bundesregierung in einer Protokollnotiz angekündigt hat, dem EU-Lieferkettengesetz am Ende nur zuzustimmen, wenn diese Schlupflöcher enthalten sind: Wer bestimmte Zertifizierungen verwendet oder sich an Branchenstandards beteiligt, würde demnach selbst für fahrlässig verursachte Schäden nicht haften. Dabei zeigt die Vergangenheit: Zertifizierungen und Branchenstandards sind oft unzuverlässig. Auch der Damm, der 2019 in Brasilien gebrochen ist und 272 Menschen in den Tod gerissen hat, war TÜV-zertifiziert.
Wir appellieren an die Bundesregierung, ihren Kurs an dieser Stelle zu korrigieren – er würde das EU-Lieferkettengesetz massiv abschwächen. Die Koalition darf ihre Ankündigung aus dem Koalitionsvertrag, sich für ein ‚wirksames EU-Lieferkettengesetz‘ einzusetzen, nicht versenken!“