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Meinung

8 Okt 2015

Autor:
Caroline Rees, Shift

Unternehmerische Widersprüche: Vier Stolpersteine auf dem Weg hin zu Respekt gegenüber Menschenrechten

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Dennoch bleiben Hürden für eine bessere Praxis des  Menschenrechtsschutzes bestehen. Ich bin wiederholt auf eine Reihe von Widersprüche und Inkonsistenzen in Unternehmensansätzen zum respektvollen Umgang mit Menschenrechten gestoßen, welche Stolpersteine für den Fortschritt darstellen. Diese Stolpersteine können von der unbedingt benötigten geradlinigen und pragmatischen Suche nach Problemlösungen ablenken.

Als Denkanstoß möchte ich vier Beispiele nennen:

1. Help me tick a box, but don’t put me in a box 

Die erste, und vielleicht häufigste Inkonsistenz, die ich von Unternehmensmitarbeitern höre – oft in derselben Unterhaltung – ist die Bitte um eine simple Checkliste um die Verantwortung, die Menschenrechte zu respektieren, zu erfüllen, und die Feststellung, dass es keine „Einheitsgröße“ gibt: Ihr Sektor ist einzigartig/besonders (distinctive), und innerhalb dieses Sektor ist ihr Unternehmen einzigartig/besonders (distinctive).

Letzteres ist sicherlich wahr. Aber wie kann es dann eine einzige Checkliste mit Handlungspunkten geben anhand derer man Respekt für Menschenrechte etabliert?

Die Führungskraft für Aktivitäten im Bergbau, das Sales-Team einer Kommunikationstechnologie-Firma, das Beschaffungswesen für einen Textilhändler und ein institutionellen Investor  werden mit unterschiedlichen menschenrechtlichen Fragestellungen konfrontiert werden.  Daher kann es kein  einheitliches Lösungsschema geben, das ist offensichtlich.

Jedoch auch auf sektoraler Ebene haben standardisierte Checklisten ihre Grenzen. Sie können ein nützliches Werkzeug für die Verifizierung oder die Messung der Performance sein, dennoch benötigen sie um erfolgreich zu sein einer gut durchdachten Anpassung und Anwendung in Unternehmenskultur und der tatsächlichen Unternehmensaktivitäten. 

Fünfzehn Jahre Arbeitsrecht-Audits in Fabriken und auf Farmen lieferten ausreichend Beweise für die Notwendigkeit unterschiedliche Gegebenheiten vor Ort zu beachten. Audits entgegen standardisierter Arbeitsrechtsprotokolle haben wenig dafür getan den Respekt gegenüber Arbeitsrechten nach und nach zu verbessern – ganz gemäß eines Kommentars von einem Unternehmensrepräsentanten in einem Workshop: „Man mästet kein Schwein indem man es kontinuierlich wiegt.“ ("you don’t fatten a pig by continually weighing it.").

In Rana Plaza wurde 2013 über 1.100 Arbeiter im Geröll des zusammengestürzten Gebäudes getötet, dass zuvor ihr Arbeitsplatz war. Die Audit-Protokolle der Marken und Textilhändler, die von den Fabriken in dem Gebäude ihre Ware bezogen, hatten zuvor Feuersicherheit bestätigt: geöffnete, nicht-blockierte Ausgänge, vorhandene und funktionstüchtige Feuerlöscher sowie geschulte Mitarbeiter. Die Audits ignorierten allerdings größtenteils das zugrundlegende Problem der unsicheren Gebäudestrukturen, auch wenn dies allgemein bekannt war. Lediglich eine Handvoll von Unternehmen bezog gezielt keine Waren von Rana Plaza und anderen Wohngebäuden, die heute Fabriken beherbergen. Diese Unternehmen legten ihrer Risikoanaylse eigene Prozessen zu Grunde, die flexibler an die realen Gegebenheiten anzupassen waren, und änderten ihre Bezugsquellen dementsprechend.

Menschenrechte zu respektieren ist essentiell. Dies darf nicht zu einem bloßen Abhaken einer Checklist oder der generalisierten Anwendung von Compliance-Tools verkommen. Der Respekt für Menschenrechte ist zu allererst eine Kultur und Denkart, die in jedem Unternehmen etabliert werden muss. Checklisten können dabei eine unterstützende Rolle spielen, sie sind aber nicht der Ausgangspunkt.

Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht ist nicht kompliziert. Aber es bedarf dafür an Bewusstsein, Reflektion, Engagement und Anpassung. Es kann keine  Einheitsgrößen geben.

 

2. Hebel für Veränderungen

Die zweite Bruch ist weniger in der Struktur des Unternehmens begründet, sondern offenbart sich öfter innerhalb der Diskussionen auf sektoraler Ebene. Sie kommt zum Tragen, da versäumt wird, Verantwortung mit Einfluss zu verknüpfen.

Auf der einen Seite, argumentieren große Unternehmen, dass sie nicht in der Rolle mit mehr Verantwortung gegenüber Menschenrechten gesehen werden sollten lediglich weil ihre Größe ihnen einen bestimmten Einflusshebel gegenüber einer Regierung oder eines anderen Unternehmens geben kann. Das ist generell  richtig. Allerdings könnte es letztendlich vermitteln, dass große Unternehmen die eigentlichen Akteure hinter staatlichen Politikprogrammen und Praktiken in kleinen oder schwachen Staaten werden sollten – wohl kaum ein demokratisches Ideal des Rechtsstaates.

Allerdings könnten Unternehmen dann nicht schlussfolgern – wie sie es zu häufig tun – dass nur weil sie wenig oder keinen Einfluss darauf haben, Menschenrechtsverstöße in Verbindung mit ihren Produkten oder ihren Dienstleistungen zu verringern, und die Verantwortung von sich weisen. 

Genauso wenig wie ein großer  Einfluss nicht  Verantwortung aufzwingen sollte, bedeutet geringe Einflussmöglichkeit nicht automatisch, dass auch die Verantwortung abnimmt. Ein Unternehmen kann eine Beeinträchtigung/Missbrauch seiner Arbeiter, die seine Produkte herstellen, nicht ignorieren nur weil es nicht viel Waren von der Fabrik bezieht, in der diese Arbeiter tätig sind; ein Investor kann keine gravierenden Menschenrechtsverstöße in Unternehmen ignorieren, in welche er investiert aufgrund dessen dass das Investment stake per se klein ist.

Die UN Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten sind in diesem Punkt klar: Verantwortung ist eine Funktion des impact, nicht der Verantwortung. Wenn die Aktivitäten, Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens mit der Verletzung von Menschenrechten in Verbindung stehen, hat es die Verantwortung diese vorzubeugen.

Was das Unternehmen tun kann um seiner Verantwortung gerecht zu werden, ist, nichtsdestotrotz, mit seinem Einfluss verknüpft – oder seinem „leverage“ in der Sprachwahl der UN Leitprinzipien. Wird diese Gewichtung berücksichtigt, kann auch Aufmerksamkeit darauf gelenkt werden, wie ein Unternehmen sein „leverage“ erhöhen kann. Unternehmen, die diesen grundlegenden Punkt verstehen, haben gezeigt, dass sich weitaus mehr Optionen bieten um „leverage“ zu erzeugen und zu verwenden als man es auf den ersten Blick denkt.

 

3. Grenzen des Lernens?

Der Dritte Bruch ist in dem Bereich zu erkennen, der häufig mit "best practices" betitelt wird (ich bevorzuge den Terminus "leading pratices"). Dieser entspringt dem Wunsch, aus guten Praktiken anderer Firmen zu lernen. Das impliziert sogleich, dass es wenig oder gar rein gar nichts aus dem Scheitern oder aus Krisen zu lernen gäbe.

Ohne Frage kann dies durch die optimistische jedoch unausgewogene Theorie erklärt werden, dass bestimmte unerwünschte Dinge weniger wahrscheinlich in einem bestimmten Kontext passieren werden als in anderen. Vielleicht begehen Firmen auch den Fehler, die Gründe für eine Krise in einem persönlichen Versagen oder einer singulären Entscheidung zu suchen, statt in grundlegenden Strukturen die eventuell ebenfalls in ihrem Kontext zu finden sind. Als Resultat dieser Voreingenommenheit werden Lehren, die aus Krisen gezogen werden könnten, häufig ignoriert.

Es gibt eine Reihe von Beispielen, in denen Firmen in Schwierigkeiten geraten, weil sie zu wenig Aufmerksamkeit auf die Besitzverhältnisse des Landes richten, in dem sie tätig werden, oder die der Ignoranz gegenüber der Zwangsenteignung und Umsiedlung von Bevölkerungsgruppen entspringt, damit Platz für Minenprojekte, landwirtschaftliche Projekte und Bauvorhaben geschaffen wird. Nichtsdestotrotz  argumentieren Firmen immer wieder Fehler geschähen "dort, nicht hier"; "damals, nicht jetzt"; und "den anderen, nicht uns". Als Resultat aus diesen verpassten Chancen wiederholen sich Fehler, was zu erhöhten Kosten für die Firmen und Schaden für die betroffene Bevölkerung führt.

Forschung bezüglich Risiken in Verbindung mit Landbesitzverhältnissen hat gezeigt, dass Firmen, die vorherige Besitzverhältnisse während ihres Aneignungsprozesses ignorieren,  eine Steigerung von Operationskosten haben, die ein 29faches betragen und bis hin zu einer vollkommen Niederlegung ihrer Firmentätigkeit führen kann. Ähnliche Forschung unter der Leitung von Shift's Rachel Davis zeigt vergleichbare Folgen für Firmen, die im Rohstoffsektor tätig sind und einen Konflikt mit der Bevölkerung hervorgerufen oder angefacht haben.

Ohne Frage können Firmen viel von den "leading practices" anderer Firmen lernen, und davon sollte Gebrauch gemacht werden, wann immer es möglich ist. Nichtsdestoweniger könnte noch größerer Nutzen entstehen, wenn auch aus den schlechten Praktiken anderer, Lehren gezogen werden würden. Dies würde voraussetzen, dass Firmen erkennen, dass sie selbst fehlbar und nicht immun gegenüber Scheitern sind.

 

4. Das Anschuldigungsszenario

Dies bringt mich zu dem vierten und letzten Widerspruch. Firmen sind sehr schnell darin, Regierungen zu beschuldigen, dass diese ihren menschenrechtlichen Pflichten nicht nachkommen würde, und sie tuen gut darin, dies anzuklagen. Regierungsversagen macht es Firmen schwerer ihren eigenen Pflichten nachzukommen: Arbeiterrechte werden nicht durchgesetzt, Minderheitenrechte nicht anerkannt, Landeigentumsrechte von Bauern missachtet, und die Rechte von Gastarbeitern werden nicht respektiert.

Staaten haben im internationalen Menschenrechtsregime, die Pflicht die Menschenrechte der sich unter ihrer Jurisdiktion befindlichen Personen zu respektieren, zu schützen und zu garantieren. Nicht ohne Grund ist die erste Säule der UN-Guiding Principles auf Staaten bezogen. Genau hier jedoch liegt auch das Problem. Firmen sind nicht immer nur passive Opfer von Staatsversagen im Menschenrechtsschutz. Sie tragen häufig zu dem Scheitern von Regierungen bei, oder sind wissentlich Nutznießer der staatlichen Unterlassung.

Warum sonst haben viele Firmen große Teile ihr Lieferkette von China nach Bangladesch verlagert? Hauptsächlich, da die Arbeit dort billiger ist, und wo Arbeit billiger ist, müssen Gründe dafür vorliegen.  Meist garantieren die Regierungen die Zahlung eines Mindestlohnes oder die Gewährleistung anderer Arbeiterrechte nicht.

Es ist nicht bloß eine finanzielle Entscheidung, Teile der Lieferkette zu verlagern, so dass Arbeitskosten gedrückt werden. Es ist eine Entscheidung mit menschlichen Konsequenzen,  und muss daher unter diesen Gesichtspunkten bewertet werden.

In anderen Industriezweigen, wie dem Rohstoffsektor oder dem Bauwesen, beklagen Firmen häufig die Unfähigkeit der Regierungen, die Grundrechte der Bevölkerung auf Wasser, Elektrizität, Bildung und Gesundheit zu garantieren - alles  ganz deutliche Pflichten des Staates. Dies generiert Druck auf die Firmen als Stellvertreter der Regierungen zu agieren um durch ihre Investitionen diese Güter bereitzustellen. Zu wenige Firmen realisieren jedoch, dass meist ihre eigenen Verhandlungstaktiken und der Versuch Steuerzahlungen zu minimieren, dazu beigetragen haben, dass der Staat in einer erschwerten Position ist, diese Güter bereitzustellen.

Eine Firma verspielt sicherlich ihr Recht, die Regierung eines Landes anzuklagen, dass diese Menschenrechtsstandards nicht einhält, wenn sie selbst aktiv versucht, diesen Schutz zu unterlaufen oder hinter Verbindungen steht, die dieses in ihrem Auftrag tun.

 

Was sollten Firmen tun?

Dies sind grundlegende Gegensätze, in Bezug auf menschenrechtlichen Praktiken von Firmen, denen ich begegnet bin. Was also können Firmen tun um diese Hürden zu überwinden und positiv zu handeln? 

1. Erstens, können sie einen Fokus darauf legen, ihre Firmenkultur dahingehend zu verändern, dass menschenrechtliche Normen ein integraler Bestandteil davon werden. Statt bloße Pflichten für Arbeiter zu erlassen und Checklisten auszugeben, muss an dem generellen Verständnis für Menschenrechte gearbeitet werden, dass verdeutlicht, warum die Einhaltung von Menschenrechten relevant für jeden einzelnen ist und konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzeigt. Mechanismen zur Einhaltungen müssen später folgen, und gute etablierte Praktiken unterstützen statt sie zu definieren.

2. Zweitens muss Verantwortung erkannt werden, selbst dann wenn das Verhalten, dass negative Auswirkung auf die Menschen ausübt nicht innerhalb der direkten Kontrolle liegt. Wenn die Produkte oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit Missachtung von Menschenrechten erzeugt werden, trägt das Unternehmen Verantwortung. Ob der Missbrauch ausgeübt wurde von jemanden, der in dem Lagerhaus des Unternehmens arbeitet, oder von jemanden, der Knöpfe an T-Shirts annäht, die dann eingepackt und an das Lagerhaus des Unternehmens geliefert werden, betrifft wenn überhaupt die Natur der Verantwortung des Unternehmens, es stellt sie nicht generell in Frage. Wenn das Unternehmen diese Verantwortung anerkennt, werden sich viel Wege eröffnen, den Missbrauch zu stoppen. Manchmal werden die Druckmittel des Unternehmens zu gering sein um etwas zu verändern; häufiger jedoch ist es bloß die Illusion, dass der "leverage" zu gering ist, und ein Wandel liegt im Rahmen des Möglichen.

3. Lernen aus dem Scheitern anderer Firmen und den zugrundeliegenden Strukturen, und finden der Verbindung zu der eigenen Firma, die mit einem ähnlichem Risiko konfrontiert ist. Es gibt zumindest immer ein kleines Körnchen von Lehre, dass aus dem Scheitern anderer zu ziehen ist. Dies zu tun wird die eigene Firma stärker machen und es ist billiger als auf die eigene Krise zu warten.

4. Arbeiten daran, dass die Firmenentscheidungen nicht auf Kosten von Menschenrechten gehen, die durch falschen Regierungsentscheidungen oder dem Scheitern der Regierung nicht eingehalten werden.  Staaten haben die Pflicht Menschenrechte zu respektieren, und es steht außer Frage, dass im Falle ihres Scheiterns, Firmen einer erschwerten Aufgabe nachkommen müssen, selbst diesen Respekt zu gewährleisten, dies kann jedoch keine Entschuldigung sein, das Scheitern der Regierung zu billigen oder gar zu befürworten. Eine Bewertung der Menschenrechtslage im Land muss verbunden werden mit wichtigen Firmenentscheidungen wie Lobbying-Prioritäten, Vertragsverhandlungen, Entscheidungen, einen neuen Markt zu erschließen. Menschenrechte sollten der Kern der Firmenentscheidungen sein, nicht ein lästiges Anhängsel.