"Für die Bürokratie sind die Unternehmen mitverantwortlich" – Einschätzungen zum deutschen Lieferkettengesetz
Robert Habeck greift zu deftigem Vokabular, wenn es um das Lieferkettengesetz oder die Entwaldungsrichtlinie geht. Diese Verordnungen müsse man mit "der Kettensäge wegbolzen", sagte der Bundeswirtschaftsminister vor Kurzem auf einem Unternehmertag...
Rhetorik, die man eher vom argentinischen Premierminister Javier Milei gewohnt ist... Und auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte wenige Tage später auf dem Arbeitgebertag an: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz... komme weg, noch in diesem Jahr.
Doch was die Unternehmer wohl damals schon ahnten: Das Lieferkettengesetz bleibt... Union, FDP und AfD ließen im Bundestag über das Ende des Gesetzes abstimmen. Trotz der Ankündigungen ihrer Kanzlerkandidaten stimmten sowohl die SPD als auch die Grünen gegen die Entwürfe...
"[D]ie Hürden für Betroffene, Beschwerden einzureichen, sind immer noch groß", sagt [Menschenrechtsanwältin Annabell Brüggemann]... Bisher hat sie bei etwa zehn Fällen in zwei Jahren vermittelt und beraten. Im Fall einer Bananenplantage in Ecuador zum Beispiel, dort berichteten Betroffene von exzessiven Überstunden und ungleicher Bezahlung von Frauen und Männern sowie Arbeitern, die ohne Schutz giftige Pestizide versprühen. Trotzdem sagt Brüggemann: Dass sich etwas verbessert hat, sei offensichtlich. Nur rede niemand darüber. Trotzdem sagt Brüggemann: Dass sich etwas verbessert hat, sei offensichtlich. Nur rede niemand darüber...
...Im Fall der ecuadorianischen Bananenplantage gebe es jetzt einen Erfolg vor dem [zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle,] Bafa: Erstmals dürfen die Betroffenen die Verfahrensakten einsehen. So können sie nachvollziehen, was die Unternehmen tatsächlich unternommen haben, und ihre Perspektive einbringen. "Es ist wichtig, dass genau diese Prüfungen transparent und gründlich ablaufen", sagt Brüggemann. "Denn wenn man weniger flächendeckende Berichtsprüfungen will, muss man zumindest in den konkreten Fällen sehr genau prüfen."
Dass die flächendeckenden Berichtspflichten [Anmerkung BHRRC: Vom Gesetz tatsächlich weder gefordert noch erwünscht] bisher nichts bringen, ist der Eindruck von Robert Späth. Er ist Geschäftsführer des Chemiehändlers Jäklechemie aus Nürnberg, 125 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Jahresumsatz 140 Millionen Euro... Doch auch Firmen wie Jäkle, die eigentlich zu klein für das Lieferkettengesetz sind, müssen Fragebögen ausfüllen [Anmerkung: Als pauschales Instrument sind diese aber nicht vorgesehen]...
...Priorisierung gibt es im Lieferkettengesetz bereits, genannt "risikobasierter Ansatz". Das heißt, über Lieferanten aus Ländern mit höherem Risiko müssen die Unternehmen dann auch mehr berichten. Deutsche Lieferanten wie Jäkle könnten so entlastet werden...
Heute verschicken Unternehmen aber oft Fragebögen nach dem "Gießkannenprinzip", wie Betroffene berichten...
"Manche Unternehmen schaffen die Bürokratie selbst durch ihre oberflächliche Umsetzung und beschweren sich dann über das Gesetz als Ganzes", kritisiert Menschenrechtsanwältin Brüggemann. Die Kettensäge sei deshalb der falsche Ansatz. Vielmehr sollten das Bafa und das Wirtschaftsministerium die Unternehmen viel stärker bei der effektiven Umsetzung unterstützen und gleichzeitig ihre Befugnisse ausschöpfen, um Gesetzesverstöße zu unterbinden.
Ob es sich für eine neue Regierung lohnt, das Gesetz zu pausieren, wenn Mitte 2026 ohnehin die europäische Richtlinie umgesetzt werden muss, ist fraglich. Viele Unternehmen, die das Gesetz schon umgesetzt haben, würden sich von einer Pause ungerecht behandelt fühlen...