Kommentar: OECD-Leitsätze - Ein neuer, wichtiger Impuls
Die OECD-Leitsätze wurden erstmals 1976 beschlossen und sind seitdem immer wieder überarbeitet worden. Nun haben 51 Teilnehmerstaaten beim OECD-Ministerratstreffen die noch aus dem Jahr 2011 stammende Version in die heutige Zeit gebracht. Wie überfällig das war, lässt sich an den signifikanten Änderungen bei dem Thema „Menschenrechte und Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen“ erkennen, vor allem aber an den Passagen zum Umwelt- und Klimaschutz.
Zum ersten Mal erwähnen die Leitsätze den Klimawandel und das Konzept der „Just Transition“, das ausdrücklich soziale Gerechtigkeit als einen Wesenskern im beabsichtigten Strukturwandel hin zu einer klimaneutralen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung einbezieht. Die OECD erwarten von multinationalen Unternehmen nun eine risikoabhängige Sorgfaltsprüfung, um negative Auswirkungen ihres Handelns präziser einschätzen zu können. Diese Due-Diligence-Prüfung soll sich auf das Klima, aber auch auf den möglichen Verlust der Biodiversität, die Verschlechterung von Land-, Meeres- und Süßwasser-Ökosystemen sowie die Abholzung, Vermüllung und die, Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung erstrecken...
In weiteren Kapiteln, etwa bei Menschenrechten, wird das Augenmerk auf einen besseren Schutz für vulnerable und marginalisierte Personen und Gruppen gelegt, insbesondere auch auf einen besseren Schutz für Whistleblower, Menschenrechtsverteidigende und indigene Bevölkerungsgruppen.
Im Hinblick auf die Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen machen die aktualisierten Leitsätze deutlich, dass Unternehmen Due-Diligence-Prüfungen über die gesamte Wertschöpfungskette durchführen sollen und dabei auch die Auswirkungen auf die Verbraucher, die die Produkte benutzen, zu berücksichtigen sind. Die bisherigen nationalen Kontaktstellen werden in „Kontaktstellen für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln“ unbenannt und sollen sichtbarer und effektiver werden. Ob das gelingt, wird sich zeigen. Bislang waren sie besonders bei Beschwerden über etwaige Verstöße relativ zahnlos.
Insgesamt stellen die OECD-Leitsätze einen wichtigen Baustein der Unternehmensverantwortlichkeit dar. Die aktualisierten Leitsätze erscheinen zu einem Zeitpunkt, in dem das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Deutschland erst seit kurzem in Kraft ist und an der EU-Lieferkettenrichtlinie gearbeitet wird. Damit können die OECD-Leitsätze tatsächlich einen Einfluss darauf ausüben, wie sich das deutsche Gesetz und die EU-Richtlinie weiterentwickeln. Es wäre ausdrücklich zu begrüßen, wenn sich sowohl die EU-Kommission wie auch das Europäische Parlament in ihren Beratungen und Entscheidungen über eine Lieferkettenrichtlinie an den neuen OECD-Leitsätzen orientieren würden.